Der Schuss ins Gelbe

Achtsamkeit, innere Ruhe und volle Konzentration, gemischt mit Natur und der eigenen Körperwahrnehmung bilden eine Möglichkeit ungeachtet vom Alltag und seinen Herausforderungen ganz im Moment, im Hier und Jetzt zu sein.

Bogenschießen vereint diese Prinzipien und ebnet den Weg zu dir selbst.

Das Thermometer zeigt sechs Grad plus an – ganz schön kalt, um einen bewegungsarmen Sport draußen zu machen. Mangels funktionaler Kleidung entscheide ich mich für einen dicken Wollpullover, meine warme Winterjacke und ziehe vorsichtshalber eine Strumpfhose unter die Hose. Ich glaube, es könnte funktionieren, dass ich beim längeren Stehen nicht zu Eis gefriere. Sicher bin ich mir jedenfalls nicht. Dick eingemummelt begebe ich mich an diesem frostigen Januartag mit meiner Mitbewohnerin nach Bocklemünd: Wir haben eine Probestunde im Bogenschießen vereinbart. Auf dem Weg dahin bin ich ganz froh nicht alleine zu sein, unsicher was mich erwartet und wie es sein wird.

Zaghaftes Kennenlernen

Auf dem Gelände angekommen, brauchen wir nicht lange um den Verantwortlichen zu finden. Nach einer freundlichen Begrüßung und Smalltalk über unser heutiges Ankommen geht es auch schon los. K. nimmt uns mit in den Geräteschuppen und erklärt uns, welche Bögen der Verein Teilnehmenden zur Verfügung stellt und was sie unterscheidet: die Zugkraft, das Gewicht, das benötigt wird, um den Bogen komplett auszuziehen. 16 Pfund ist das verfügbare Minimalgewicht. Pfund…. Was war das doch gleich in Kilo? Etwas weniger als die Hälfte, richtig? Also ca. 7 Kilogramm? Klingt erstmal ganz schön viel für jemanden wie mich, der sich eher als unsportlich bezeichnet. Naja, weniger geht nicht, also wird es schon klappen. Doch dann, plötzliche Wendung: Wir sind nicht die einzigen Neuankömmlinge. Eine weitere Frau erscheint und der Streit um die zwei 16-Pfund-Bögen beginnt!

Wir einigen uns darauf, uns abzuwechseln, so dass jede auch mal den 22-Pfund-Bogen benutzen wird. Ok, Bogen ist gesichert, jetzt noch Pfeile, die sind auch schnell beschafft. Jetzt bin ich doch startklar, oder? Irrtum: Es fehlen noch ein Armschutz, um die bogenhaltende Hand vorm Rückschlag der Sehne zu schützen und normalerweise ein Handschuh, damit die Fingerspitzen nicht zu sehr von der Sehne beim Greifen beansprucht werden. Letzteres fällt dank Kunststoffringen, die an der Sehne angebracht sind, weg. Nun geht es aber endlich los. Ich bin schon ganz aufgeregt.

Ungebremste Begeisterung

Wir begeben uns auf den Schießplatz, wo mich eine Überraschung erwartet: Ich sehe nicht nur die erwarteten runden Zielflächen mit den farbigen Kreisen, sondern auch einige Hartschaumtiere und sogar einen schwingenden Würfel. Ich bin erfreut, nicht nur ein mögliches Ziel zu haben. Der Spaß beginnt! Nach wenigen Minuten stelle ich fest, dass es in der Praxis doch nicht so einfach ist, wie es aussieht. Nicht nur merke ich, dass die 22 Pfund ganz schön schwer sind, auch fliegt der Pfeil oft nicht dahin, wo ich hingezielt habe. Ich bin irritiert. Einige Zeit vergeht bis wir eine Pause einlegen. Puhh, trotz des Stehens und der scheinbar geringen körperlichen Bewegung ist es anstrengend. Nicht wirklich auf körperliche Art, mal abgesehen von der Belastung des auszuziehenden Zuggewichtes, eher auf eine mentale. Es erfordert Konzentration, die richtigen Schritte dem Ablauf entsprechend zu verfolgen.

Aber irgendwie bin ich froh. Froh darüber hier zu sein und diese Erfahrung zu machen. Mich mehr mit mir und meinem Körper auseinanderzusetzen, darauf zu achten, wie ich stehe, wie meine Haltung ist und was sich verändert, wenn ich meine Hüfte, meinen Oberkörper, meine Schultern in unterschiedliche Richtungen bewege. Ehe ich mich versehe sind zwei Stunden Training auch schon rum. Ich bin erfreut und enttäuscht zugleich. Erfreut, da mir nun wirklich kalt ist und ich wieder ins Warme flüchten kann. Enttäuscht, da es schon zu Ende ist. Ich hatte wirklich Spaß und eine gute Zeit. Mal davon abgesehen, dass ich immer noch mit dem ganzen Ablauf überfordert bin und viel über die einzelnen Schritte nachdenke. Ich habe Lust wiederzukommen, weiterzumachen und zu schauen, was der Bogensport noch für mich bereithält.

Zu mir selbst finden

Schmunzelnd blicke ich in die Sonne. Die Erinnerung an meine Anfangszeit beim Bogenschießen treibt mir nach wie vor ein Lächeln ins Gesicht. Aus dem „Schluck Wasser“, wie ein Kollege im Verein meine zaghaften und unkoordinierten Anfänge einst beschrieb, ist eine konzentrierte und zugleich mental entspannende Haltung geworden. Acht Monate sind nach diesen ersten Versuchen vergangen und ich bin dem Sport treu geblieben. Ich habe eine Form der Erholung, des Runterkommens entdeckt. Egal wie stressig oder herausfordernd der Tag auch war – stehe ich auf dem Schießfeld gelingt es mir im Hier und Jetzt zu sein. Bei mir, meinem Körper und der Haltung, die ein wichtiger Grundbestandteil des Ganzen sind.

Ich habe noch einen langen Weg vor mir, bin bei weiten nicht immer gut bei dem was ich dort tue, doch das Schöne ist, es stresst mich nicht mehr so sehr. Am Anfang war ich sehr darauf bedacht möglichst schnell besser zu werden, alles richtig zu machen und gut umzusetzen. Doch das entfachte gleichzeitig Stress in mir. Ich setzte mich selbst unnötig unter Druck. Diese Lektion darf ich auch gerne auf meinen Alltag übertragen. Ich darf schauen, wie es mir geht und was ich verändern kann, damit sich mein Körper und meine innere Haltung positiv anfühlen. Ganz wie beim Bogenschießen.

Egal wie stressig oder herausfordernd der Tag auch war – stehe ich auf dem Schießfeld gelingt es mir im Hier und Jetzt zu sein

Mittlerweile sprühe ich vor Elan und freue mich auf das Training. Es macht mir Spaß Andere in den Sport einzuführen und von meinen Erlebnissen, auch meinen holprigen Anfängen, zu berichten und so anderen einen kleinen Einblick zu geben, dass Bogenschießen mehr als nur stupides Treffen sein kann.

Spätestens beim ersten Parcoursbesuch, wenn man nicht nur auf dem Schießplatz steht, sondern durch den Wald läuft, mit Pfeil, Bogen, Armschutz und Handschuh bewaffnet, dann kommt noch ein ganz anderer Zauber dazu.

Für mich bedeutet es Entspannung, Freude und Achtsamkeit.

Fotos –––– © Franziska D. 

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