Ich glaube, ich habe
auch eine Unwucht!

Es war ein sommerlicher Hitzetag im Büro und der Ventilator machte plötzlich seltsame Geräusche – er vibrierte, ratterte, schien aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. „Der hat bestimmt eine Unwucht!“, sagte eine Kollegin.

Ich kannte das Wort, aber wusste nicht genau, was es bedeutet. Ein Kollege erklärte mir kurz, dass es sich um ein Ungleichgewicht in rotierenden Körpern handelt, das zu Vibrationen und Unruhe führt.

Spannend, dachte ich, bin ich nicht auch ein rotierender Körper? Und gerate ich nicht auch schnell aus dem Gleichgewicht? 

Ich musste lachen. Denn irgendwie fühlte ich mich ertappt. Spontan entfuhr mir der Satz: „Ich glaube, ich habe auch eine Unwucht!“ Meine Kolleg:innen lachten mit mir.

Halb im Scherz, halb im Ernst geäußert, hat mich dieser Satz noch ein bisschen beschäftigt.

Jenes mechanische Phänomen beschreibt ziemlich treffend, wie ich mich ab und zu innerlich fühle. 

Als würde dort ebenfalls etwas nicht ganz rund laufen. Eine Abweichung von meiner inneren Achse. Als hätte sich ein kleines Gewicht verschoben, nicht sichtbar, aber spürbar in jeder Bewegung, jedem Gedanken.

Ich funktioniere noch – irgendwie. Aber das innere Rattern fühlt sich an, als könnte ich jederzeit auseinanderfallen.

Diese Metaphorik aus der Welt der Mechanik und des Maschinenbaus faszinierte mich irgendwie und ich wollte mehr darüber erfahren. Es musste doch eine Lösung geben für diese Unwucht-Problematik.

Und tatsächlich: Es wird „Auswuchten“ genannt und gehört anscheinend zur regelmäßigen Wartung von Autos und anderen Maschinen dazu.

Das Auswuchten besteht oft darin, zum Ausgleich kleine Gewichte an der Maschine anzubringen, damit sie wieder gleichmäßig um ihre Achse rotieren kann. Wenn Geräte mit einer Unwucht nicht ausgewuchtet werden, verschleißen sie schneller und gehen schneller kaputt. 

Wieder erkannte ich eine Gemeinsamkeit: Wenn ich mein Inneres nicht regelmäßig warte – beziehungsweise meine Selbstfürsorge vernachlässige, habe ich auch das Gefühl, dass ich schneller „verschleiße“. Ich gerate schneller aus dem Gleichgewicht und Kleinigkeiten können mich aus der Bahn werfen.

Unsere Gegengewichte bestehen jedoch nicht aus Metall, sondern aus ganz unterschiedlichem „Material“: Für manche sind es inspirierende Gespräche mit Freunden, für andere ist es ein Tag allein mit einem guten Buch. Wieder andere blühen bei ihrem Lieblingssport auf oder durch Musik. 

Allen ist eins gemein: Es sind gezielte unsichtbare Ausgleichsgewichte, die uns helfen, wieder in den eigenen Rhythmus zu finden.

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