Die Luftschlange im Treppenhaus

eine Karnevalsgeschichte von hfz

Diese Übelkeit… „Trink doch eene mit! Stell disch nit so aah!“ Diese drängende Übelkeit, Kopfschmerzen und so ein Druck in der Bauchgegend. „Haaaachscheise, warum tut’n mein Rüggn so weh?“ „Un wenn et Trömmelsche jeht, dann stonn mer all parat!“ Luzie versuchte, die Augen zu öffnen. Das gelang nur mit Anstrengung und was sie sah, gefiel ihr zwar nicht, war aber auch keine Überraschung. Sie hing mit dem Kopf nach unten über einem Treppenhausgeländer und konnte ungefähr 20 Meter unter ihr, Konfetti Reste auf dem Boden erkennen und etwas, das ein erstaunlich großes Stück Erbrochenes sein könnte aber auch zerknülltes Papier. Genau konnte sie es nicht sagen, denn sie hatte eine Kontaktlinse verloren und sah dementsprechend verschwommen. „Poppe, Kaate, Dannze – Dat kannsde, ja dat kannsdeeee!“ Sie arbeitete jetzt schon ein paar Jahre als Luftschlange, dieses Jahr in einem silbernen Kostüm und hatte schon viel gesehen. Klar, die üblichen Verdächtigen wie z. B. Clowns oder der Cowboy, die sexy Polizistin oder die pummelige Erdbeere waren immer dabei; die waren jetzt nun wirklich nichts Besonderes. In den letzten Jahren war immer mal wieder ein Plüschtiger aufgetaucht, der hatte mächtig Eindruck hinterlassen. „Denn isch bin nuuur, ne Kölscheee Juung!“ Wie er immer von Rücken zu Schulter und zu Kopf der verschiedensten Jecken sprang und in Kneipen auftauchte, in denen man niemals mit ihm gerechnet hatte, war wirklich beeindruckend. Es schien zwar, als hätten die Närrinnen und Narren ihn zum Accessoire gewählt, dabei war es genau umgekehrt: Er hatte sie alle unter Kontrolle und tanzte seinen wilden Tigertanz mit ihnen. Mit Luzie hatte er auch schon mal getanzt, aber nachdem sie in der Nähe vom Chlodwigplatz im Kronleuchter gehangen hatte, verlor sie ihn aus den Augen. Naja, vielleicht ist er jetzt mehr auf Privatpartys. Oder vielleicht hat er auch auf der Zülpicher Straße seine große Liebe gefunden und sich mit ihr zur Ruhe gesetzt. Wat och passeet, dat eijne es doch klooor, et schönste, wat m’r han, schon all die lange Jooohr – Es unser Veeeeedel!“

Zur Ruhe setzten, das würde Luzie Luftschlange sich im Moment auch gerne. Allerdings müsste sie erstmal wieder auf die Beine und aus diesem Treppenhaus kommen. Wie war sie überhaupt hier hingekommen? Sie war mit Suse, Miray und Darya und den anderen Lufties in der Hosentasche von der rothaarigen Piratin angereist und dann im richtigen Moment, mit ordentlich Schwung, aus der Tasche im hohen Bogen über die Tanzfläche geflogen und halb auf einem Koch und auf einem zwei Meter großen Gartenzwerg gelandet. „POLKA, POLKA, POLKA!!!“ Das war schon mal super! Elegant ließ sie sich an dem Hühnen runtergleiten und dippte kurz in ein Kölschglas. Wobei, vielleicht war es auch Sekt. Jedenfalls schwang sie sich beschwipst weiter, vorbei an einem Krokodil, das schon bedenklich grün im Gesicht war, in Richtung der Magd und des Teufels. Dabei zeigte sie sich von ihrer besten und schönsten Seite, glitzerte im Licht der Partyspots, zeigte ihre Kurven und bekam von der Girlande ein sattes High Five dafür. Leev Marie! Ich bin kein Mann für eiiiine Naaacht! Leev Marie, das habe ich noch niiie gemaaaacht!!“ Magd und Teufel hatten allerdings nur wenig Aufmerksamkeit für sie; die wollten lieber knutschen. Dann war sie abgerutscht und -Oh Schreck, Hilfe! – auf dem Boden in einer Bierlache gelandet. Ein Mensch mit Bart hob Luzie aber sofort wieder auf, schlang sie sich um den Hals und da blieb sie erstmal ’ne Weile. Ab da reißt ihre Erinnerung ab und setzt erst wieder auf diesem Geländer im Treppenhaus ein. „Niiie mehr Fastelooovend! Niiie mehr ruuut un wiiieß!!“ Mittlerweile sind schon wieder ein paar Menschen an ihr vorbeigegangen und sie überlegt, an wen sie sich dranhängen soll. Als sie ein besonders originelles Kostüm die Treppe herunterkommen sieht, eine Süßwasseralge, sammelt sie leicht ächzend ihre Kraft, rollt sich ein bisschen zusammen, stößt sich mit einem Seufzer vom Geländer ab und landet in den Haaren der kichernden Alge. Denn mir sin kölsche Mädcher! Hann Spitzebötzjer aaan! Mir lossen uns nit dran fummele! Mir lossen keiijner dran! Luzie merkt, wie die Übelkeit verschwindet und sich wieder Feierlust in ihr ausbreitet. „Na, da bin ich ja jetzt wieder auf Kurs“, denkt sie. „Mal sehen, wo es heute hingeht – Karneval hat ja grade erst angefangen“.

Foto –––– © HFZ
Foto –––– © unsplash / jianxiang
Foto –––– © unsplah / Quino Al

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