Lost Places in Köln
Die Magie verlassener Gebäude und Anlagen
- Autor:innen: Judith K.
- Layout: admin-akzente
- Veröffentlicht: 26. Juni 2021
- Kategorie: Wissen
Manch eine:r hat vielleicht schon einmal den Begriff „Urban Exploring“ oder kurz „Urbexing“ gehört. Dabei handelt es sich um das private Erkunden von verlassenen, meist heruntergekommenen Gebäuden und Anlagen, die nach ihrer Schließung dem Zahn der Zeit überlassen wurden. Oft wirken diese Orte, die viele Jahre nicht betreten worden sind, seltsam aus der Zeit gefallen, und genau das macht ihren magischen Reiz aus. Urbexing bedeutet das Einfangen von leisen, aber klaren Zeugen des menschlichen Vergessens.
Nimm nichts mit außer Fotos, hinterlasse nichts außer Fußspuren
So lautet einer der Grundsätze des Urban Exploring, doch leider halten sich nicht alle daran. Zerstörung und Verunstaltung durch Graffiti sind die häufigsten Gründe, durch die der zeitliche Zerfall eines verlassenen Gebäudes noch beschleunigt wird. Dabei hat ein so verwunschener Ort der Vergessenheit doch viel mehr zu bieten, als der Zerstörungswut ein Tor zu öffnen. Ein Beispiel dafür ist die Schönheit des Vergessenen als Zeugnis für Beständigkeit und Sein.
Wichtig ist bei diesem Thema zu erwähnen, dass jedes ungenehmigte Betreten von privaten Grundstücken natürlich als Hausfriedensbruch gilt. Respektiert das Privateigentum und respektiert auch den Charakter der vergessenen Orte. Auch Lost Places haben häufig eine:n Besitzer:in, und bevor man eine Straftat begeht, reicht es oft schon aus, einfach um Erlaubnis zu bitten, das Grundstück betreten und Fotos machen zu dürfen.

Haus Fühlingen
Um das Haus Fühlingen, auch Villa Oppenheim genannt, ranken sich viele Legenden. Das mittlerweile schon stark verfallene und heruntergekommene Gebäude wurde Mitte der 1880er Jahre von Eduard Freiherr von Oppenheim gebaut. Es sollte zusammen mit angrenzenden Ställen und einer Rennbahn für die Pferdezucht genutzt werden und wurde 1907 schon wieder verkauft, da sich das Land angeblich nicht zur Zucht und Haltung von Tieren eignete. 1943 dienten die verlassenen Gebäude als Schlaflager für Zwangsarbeiter unter den Nationalsozialisten, wobei in ebendiesem Zeitraum eine der bekannteren Legenden rund um das Haus Fühlingen ihren Ursprung fand. Demnach verliebte sich damals ein 19-jähriger polnischer Arbeiter in die hübsche Tochter des Gutsbesitzers und zog dadurch dessen Zorn auf sich. Es wird behauptet, dass der junge Mann kurz darauf festgenommen und von der Gestapo in einer naheliegenden Ziegelei erhängt wurde. Sein Geist soll heute noch auf dem Gelände umhergehen und seine Liebste suchen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Haus in den Besitz des ehemaligen NS-Richters Gerhard van K. über, der dort zusammen mit seiner Frau lebte. Van K. soll in der Silvesternacht 1962 auf dem Dachboden der Villa Suizid durch Erhängen begangen haben. Seine Frau lebte noch bis zum Jahr 2000 in dem Gebäude, bis auch sie schließlich verstarb. Gerüchte ranken sich schließlich um einen weiteren Leichenfund im Jahr 2007. Angeblich hatte sich ein weiterer Mann auf dem Dachboden der verlassenen Villa erhängt.
Alpha, Theta, Omega
Das neueste Mysterium dieses Ortes rankt sich um einen unerwartet aufgetauchten Grabstein, auf dem der Name Heinrich Görtz sowie Sterbedaten und der Beruf „Lehrer“ stehen. Außerdem sind über dem Namen die griechischen Buchstaben Alpha, Theta und Omega eingraviert. Recherchen zufolge wurde Görtz am 10. Oktober 1953 auf dem Friedhof Fühlingen beigesetzt und die Grabnutzungsdauer lief 1983 aus. Nachdem das Grab abgeräumt wurde, erhielt die Person, die das Grab bezahlte, den Grabstein zur Aufbewahrung zurück. Es sei noch zu erwähnen, dass Heinrich Görtz alleinstehend und kinderlos war. Wer also hatte den Grabstein aufbewahrt und warum tauchte er nach so vielen Jahren plötzlich auf dem Gelände der Villa Oppenheim auf?
Nicht nur deswegen ist das Haus Fühlingen sehr unter Anhänger:innen des Paranormalen beliebt, da es dort wirklich spuken und „etwas nicht stimmen“ soll. Ich persönlich finde jedoch, dass das heruntergekommene Gelände und die mehr als sanierungsbedürftige Bausubstanz beim meist nächtlichen Betreten der Villa bereits Grund genug sind, sich zu fürchten.
Westtribüne des 1. FSV Köln 1899
Weit im Kölner Norden und nicht ganz so weit von der Pferderennbahn entfernt, befindet sich die ehemalige Westtribüne des 1. FSV Köln (ehemals als VfL Köln 1899 bekannt). Das Gelände ist frei zugänglich und wird heute oft als Veranstaltungsplatz für Flohmärkte genutzt. Zu seiner Zeit jedoch galt das Stadion als eines der größten in Deutschland und bot Platz für 16.000 Menschen. Kaum vorstellbar, wenn man sich die heutigen stillen Überreste anschaut. Im Jahr 2002 wurde dieser Ort als Kulisse für den Film „Das Wunder von Bern“ genutzt und ist trotz seiner doch mittlerweile eher baufälligen, kargen Erscheinung noch ein beliebtes Ausflugsziel für Fußballfans.

Die KHD-Hallen
In einer Großstadt wie Köln ist es eigentlich nur schwer vorstellbar, dass sich in der Stadtmitte mehrere fast fußballfeldgroße Fabrikhallen befinden. Während der Eine dies als skandalöse Verschwendung wertvollen Lebensraums beklagt, greift die Andere begeistert nach ihrer Fotokamera und macht sich auf Erkundungstour.
KHD steht für Klöckner-Humboldt-Deutz. Gegründet wurde der Konzern 1864 als Motoren- und Traktorenhersteller und ist heute unter dem Namen Deutz AG bekannt. Die verlassenen Hallen sind überwiegend frei begehbar; ein Besuch sollte jedoch trotzdem angekündigt werden, da auf dem Gelände sehr wohl noch gearbeitet wird und mehrere Tausend Menschen in dem gut 150 Jahre alten Maschinenbaukonzern angestellt sind. Die größte Halle hat zwar vieles von ihrem alten Charme durch etliche Graffiti verloren, bleibt jedoch mit gut 20 Metern Höhe und einer Fläche, in die ein ganzes Fußballfeld passt, nach wie vor eindrucksvoll. Man kann sich die Geräuschkulisse unzähliger Maschinen und fleißig arbeitender Fabrikangestellten auch heute noch vorstellen.
Fort VI
Das Fort VI in Deckstein am Rande Lindenthals ist die einzige Militäreinrichtung in Köln, die noch frei zugänglich ist. Fortis Colonia e.V. und das Kölner Festungsmuseum bieten mitunter geführte Besichtigungen der riesigen, teils unterirdischen Anlage an. Endlos weite, verfallene Räume, Dunkelheit und ein Geruch von Moder und alter Nässe. Bei diesen Stichworten liegt es wahrscheinlich nicht fern, dass auch das alte Fort als Filmkulisse diente, bevorzugt für das Genre der Monster- und Zombiefilme. Durch Zeitzeugen wird das hartnäckige Gerücht am Leben gehalten, dass sich irgendwo im Fort ein geheimer Zugang zu einem verborgenen Tunnelsystem befinde, das das gesamte Stadtgebiet umfassen und angeblich auch der Grund für den Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009 sein soll.
Die Bauarbeiten für die riesige Anlage begannen 1873 und dauerten drei Jahre. Unmittelbar nach der Fertigstellung musste das Artilleriefort auch schon aufgrund der Einführung der sogenannten Brisanzmunition verstärkt werden. Trotz zahlreicher Modernisierungs- und Umbauprogramme im Laufe der Zeit gehört das Fort zu den wenigen Festungen, die heute noch erhalten blieben. Heute liegt in dem damaligen Festungsgraben der Decksteiner Weiher, umrahmt von einer Parkanlage. Außerdem kann dort ein Felsengarten besichtigt werden und das umliegende Gelände lädt zu diversen sportlichen Aktivitäten ein.
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