von B. Ehrstein

Ich bin Berufstrainer im BTZ. In diesem Artikel würde ich gerne über den 2. Bildungsweg und damit meinen Werdegang bis hierhin berichten.

Mein Berufsweg

Im jungen Alter von 14 Jahren besuchte ich die Realschule in einem kleinen Dorf in der Südpfalz. Dort vermittelten Lehrer:innen, Eltern und Mitschüler:innen, dass man (wer auch immer „man“ sein soll) nach der 10. Klasse eine Ausbildung beginnt. Aufgrund dieser Tatsache bewarb ich mich bei den verschiedensten Stellen als Kaufmann für Bürokommunikation, Groß- und Außenhandelskaufmann und als Bankkaufmann bei der Sparkasse. Letzteres funktionierte und direkt mit frischen 16 Jahren begann ich 2005 meine Ausbildung am Schalter in Anzug und Krawatte.

Nach anstrengenden Ausbildungsjahren und weiteren drei Jahren Berufserfahrung im Service/Schalterbereich der Sparkasse in der Nähe von Karlsruhe entschloss ich mich, dass dies nicht die letzte Station gewesen sein kann. Die Vorstellung, jeden Tag die gleiche Arbeit zu verrichten und das bereits in jungen Jahren, erdrückte mich. Ein neuer Plan musste her.

Wohin Soll es Gehen?

Trotz verschiedenster Jobcoachings, Besuche im Berufsinformationszentrum und Überlegungen mit Freund:innen und Familie kam ich zu keinem Entschluss, was mich glücklicher machen könnte als die Arbeit bei der Sparkasse. Eigentlich hatte ich sehr gerne mit Kund:innen gearbeitet und konnte gar nicht genau definieren, was mich an dem Beruf und der 40-Stunden-Woche so genervt, gestresst oder unglücklich gemacht hatte.
Nach langen Überlegungen traf ich die Entscheidung, dass ich erstmal das Abitur nachholen wollte, bevor ich in eine neue Berufsbranche einsteigen würde. Es folgte ein Einstellungstest und ein kleiner Vorbereitungskurs und dann trat ich im Sommer 2011 den Weg zur allgemeinen Hochschulreife an. Ein Thema war natürlich die Finanzierung: Da ich eine Ausbildung absolviert hatte, stand mir Schüler:innen-BAföG in Höhe von über 600 € zu. Dies bekam ich auch mit sehr geringem Papieraufwand und konnte dementsprechend eine finanziell sorgenfreie Zeit in der Schule verbringen.

Leider brachte mir die Schulzeit keine weiteren Erkenntnisse, was ich nach dem Abitur machen wollte. BWL, VWL, Geschichte oder doch Mathe studieren? Aufgrund meiner Erfahrungen mit den üblichen Schulfächern und den dazugehörigen Lehrer:innen konnte ich mir keine daran angelehnte Arbeit oder weitere Berufe für mich vorstellen. Dies lag vor allem daran, dass im deutschen Schulsystem nichts über Berufspraxis und -branchen berichtet wird.

Ich war allerdings sehr gut in der Schule, da mir bewusst war, dass ich einen unbefristeten Vertrag bei der Sparkasse gekündigt hatte, um diesen neuen Weg einzuschlagen. Trotz alledem interessierte mich weder Physik, noch Mathematik, noch Chemie. Ich beschloss, mir mehrere Universitäten anzuschauen und mich mit Freund:innen, die damals studierten, zusammenzusetzen. Ich wollte mithilfe von Brainstormings und Mindmaps zu einer Idee gelangen. Durch den Besuch verschiedener Infotage konnte ich mir immer besser vorstellen, dass der geisteswissenschaftliche Bereich für mich interessant sein könnte. Nach erfolgreichem Abschluss der Schule 2014 entschied ich mich für ein Studium der Erziehungswissenschaft an der Universität zu Köln.

Durchatmen

Und genau an diesem Punkt meiner Geschichte passierte etwas total Überraschendes und Schönes, das mir diese 2. Chance in meinem Werdegang auf eine Art erst richtig ermöglichte. Bei einer Infoveranstaltung des BAföG-Amts Köln erfuhr ich, dass Menschen nach einer Erwerbstätigkeit von sechs Jahren elternunabhängiges BAföG (im Bachelor und Master) beziehen können. Dies traf glücklicherweise auf mich zu, denn meine Ausbildung bei der Sparkasse hatte drei Jahre gedauert und im Anschluss daran hatte ich noch weitere drei Jahre Berufserfahrung gesammelt. Somit konnte ich mir mein Studium ausschließlich durch das BAföG und kleine Nebenjobs finanzieren. Das bedeutete, dass ich den Fokus auf das Lernen und das Studieren legen konnte und nicht auf das Geldverdienen. Aufgrunddessen war diese Zeit für mich und mein Leben sehr prägend und ich werde sie wohl immer als einen der schönsten Abschnitte meines Lebens in Erinnerung behalten.

Durchstarten

Und zusätzlich habe ich in diesem Zeitraum im dritten Semester ein Pflichtpraktikum in einer Wohngruppe für Menschen mit Autismus absolviert. Hier habe ich gemerkt, dass dies genau das ist, was ich gesucht habe und was das Einzige war, das mir an dem Beruf des Bankkaufmanns gefallen hatte: Arbeit mit Menschen und Arbeiten in der Gesellschaft. Etwas bewirken, Menschen zuhören und verschiedene Denkweisen, Verhaltensmuster und Persönlichkeiten kennenlernen und verstehen.

Nach meinem Abschluss der Erziehungswissenschaft im Jahr 2020 bewarb ich mich im BTZ und bin nun seit fast zwei Jahren Teil des Teams hier. Ich freue mich, einen Beitrag zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen leisten zu können. Diese Position erfüllte meinen Wunsch, in der Gesellschaft zu arbeiten und den verschiedensten Menschen eine Chance oder sogar eine 2. Chance geben zu können, an ihr teilhaben zu dürfen. Alle Menschen dieser Welt haben es verdient, integriert und inkludiert zu werden, damit alle an einem Strang ziehen können. Und genau deshalb ist mir mehr als sonnenklar, dass ich nie wieder in einem Beruf wie dem des Bankkaufmanns arbeiten werde. 🙂

Foto –––– © Unsplash / Warren Wong

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